Annette hat geschrieben: ↑Fr 15. Okt 2021, 18:24
Ich schließe einfach mal von mir auf andere: Leute, die nur emotional betroffen sind, aber ansonsten keinen messbaren Verlust erleiden, können sich längeren Suchen nach Drama und der Hingabe an die Vorstellung wie Leute leiden, problemlos leisten.
Annette, ich glaube dir aufs Wort, dass dir die emotionsgeladenen, mitunter auch dramatisierenden Kommentare von manchen Nicht-Betroffenen auf den Kecks gehen. Bei einer solchen Katastrophe aus sicherer Entfernung und mit der Gewissheit zuzuschauen, dass einem nichts passieren kann, übt auf manche Menschen eine schaurige Faszination aus. Und andere Menschen, die empathischere Sorte, haben das Bedürfnis, sich irgendwie dazu zu äußern. Denn gar nichts zu sagen, keine Regung zu zeigen, wäre auch seltsam und irgendwie auch nicht menschlich. Man sieht, dass Menschen betroffen sind, Menschen wie man selbst, es könnte morgen auch einem selbst passieren, tut es zwar gerade nicht, aber es könnte… Also sagt man in seiner Hilflosigkeit irgendetwas, was natürlich niemandem hilft, außer vielleicht ein bisschen demjenigen, der es sagt.
Ich habe vor ein paar Jahren meine Schwester an einer grausamen Krankheit verloren und dabei selbst erlebt, wie hilflos meine Freunde dabei waren: sie wussten nicht, wie sie mir helfen konnten, sie wollten irgendwie ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen, aber alle Worte klangen in meinen Ohren nur noch banal. Auch wollte ich kein Drama mehr, sondern nur meine Ruhe haben, meine Wunden lecken und ein bisschen Normalität, obwohl nichts mehr normal war und niemals wieder sein würde.
Es gibt nicht den richtigen Umgang mit einem solchen Schicksalsschlag und auch nicht mit den Betroffenen. Außer Verständnis dafür aufzubringen, dass wir ‚Diesmal-Nicht-Betroffenen‘ ihnen furchtbar auf den Kecks gehen können, selbst wenn wir es noch so gut meinen.