Blödsinn
Laut Duden: „Unsinn, sinnloses, törichtes Reden oder Handeln“. Umgangssprachlich wird der Begriff abwertend gebraucht. Also insgesamt ist das keine gute Reputation für diesen Begriff.
Ist Blödsinn somit überflüssig ?
Warum mögen wir Blödsinn ? Warum kitzelt er unsere Gehirnwindungen ? Warum lachen wir über Blödsinn ?
Fast jeder Witz funktioniert mach dem Prinzip Blödsinn. Weil in der Auflösung, der Pointe eine unlogische, widersinnige Erklärung abgegeben wird.
Sigmund Freud hat ein Buch darüber geschrieben: „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“. Er resümiert: Eine Technik des Unbewussten zur Einsparung von Konflikten und zum Lustgewinn . Der Lustgewinn beruhe auf einer kurzzeitigen Lockerung von Verdrängungen.
Es ist schon erstaunlich genug, daß der Mensch Gedanken entwickeln kann, die jenseits seiner sinnlichen Erfahrungsmöglichkeiten liegen. Allein mit Deduktion, also der Ableitung von Aussagen aus anderen Aussagen, mithilfe logischer Schlussfolgerungen. Aber er kann noch einen Schritt weiter gehen und beim Denken die duale Logik (tertium non datur ) missachten. Dann münden diese Gedanken in:
Blödsinn.
Ist es also reine Zeitverschwendung sich damit zu beschäftigen ?
Erstaunlicherweise gibt es Beispiele die das Gegenteil beweisen.
Hieronimo Cardano (1501–1576) suchte nach Lösungsformeln für nichtlineare Gleichungen. Er fand dabei „Zahlen“,
die nach den Regeln der herkömmlichen Arithmetik nicht existieren können, weil Wurzeln aus negativen Zahlen nicht existieren, jedenfalls nicht in der reellen Zahlenwelt. Andererseits lösen diese Ausdrücke die Gleichung, wenn man sie rein formal einsetzt . Er bezeichnet diese Zahlen als "quantitas sophistica", spitzfindige Größen. Heute würde man
Blödsinn sagen. Cardano erklärte die Frage nach der Existenz dieser Zahlen per se als falsch !
In den folgenden Jahrhunderten gewöhnten sich die Mathematiker langsam daran, mit diesen Zahlen zu „rechnen“. Aber man bezeichnete sie als „unmöglich“, „eingebildet“ , „imaginär“. Per Definition hätte man sie auch als blödsinnig bezeichnen können. Man benannte die betragsmäßig kleinste dieser Zahlen mit „i“, wie imaginäre Einheit und ging wieder zur Tagesordnung über. Leibniz (der Erfinder des Kekses

) meinte: Die imaginären Zahlen sind eine feine und wunderbare Zuflucht des göttlichen Geistes, beinahe ein Amphibium zwischen Sein und Nichtsein.
Carl Friedrich Gauß (1777–1855) ist es zu verdanken, dass die komplexen Zahlen (diese Bezeichnung stammt von Gauß) ihren Nimbus des Esoterischen und Phantastischen (im Sinne von nicht real) verloren haben und als echte Zahlen, im Sinn einer Erweiterung des herkömmlichen Zahlenbegriffs, anerkannt werden. Es konnte eine konsistente und widerspruchsfreie Arithmetik über dem Körper der komplexen Zahlen definiert werden, bei der unsere herkömmliche Rechnerei als unendlich kleiner Spezialfall erscheint. Viele, bis dahin spukhafte Phänomene konnten plötzlich erklärt werden. Z.B. die rätselhafte Verwandtschaft zwischen trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen hinsichtlich Additionstheoremen wird plötzlich verständlich. Denn die periodischen, trigonometrischen Funktionen lassen sich im Komplexen direkt durch die hyperbolischen ausdrücken. Obwohl die Einen periodisch sind und auf der Zahl Pi beruhen, die Anderen nichtperiodische Exponentialfunktionen auf der Euler'schen Zahl e. Das gipfelt in der von Euler selbst gefundenen „schönsten Formel der Welt“:
e (hoch) iπ = -1
Sie vereint die wichtigsten Konstanten der Mathematik: Die Kreiszahl π, die imaginäre Einheit i und die Basis des natürlichen Logarithmus, die eulersche Zahl e. Manchmal findet man die Formel auch in der Form e (hoch) iπ + 1 = 0, um auch noch die beiden Konstanten 0 und 1 miteinzubeziehen. Somit wurde erkannt, daß zwischen π und der Euler′sche Zahl e eine enge Verwandtschaft besteht !
Alle diese Erkenntnisse wären nicht gefunden worden wenn Menschen nicht die Freiheit des Denkens = Blödsinn zugelassen hätten.
Für alle die jetzt hier noch lesen und noch nicht weggeratzt sind (Schnarch ...) die „gleiche“ Geschichte nochmals in einem anderem Gewand:
Alice im Wunderland gilt als eines der hervorragenden Werke aus dem Genre des literarischen Nonsens ( =
Blödsinn ). Sie spielt in solch einer Weise mit Logik, dass sich die Erzählung unter Mathematikern und Kindern gleichermaßen großer Beliebtheit erfreut.
Alice fällt in ein tiefes Loch, landet in einem Raum mit vielen Türen. Sie geht durch eine Tür und gelangt ins Wunderland, das von Paradoxa und Absurditäten nur so strotzt. Mit Figuren wie Grinsekatze, Märzhase und verrücktem Hutmacher.
Es ist ein Lobgesang auf die grenzenlose, menschliche Fantasie, die sich über alle Gesetze der Logik hinwegsetzen kann und darf.
Es leber der Blödsinn !