Die schönste Wanderung die wir bisher auf São Jorge und den Azoren gemacht haben — und einer unser liebsten Küstenabstiege überhaupt - ist die Wanderung von der Hochebene Serra do Topo zur Faja dos Cubres. Die abwechslungsreiche Tour beginnt im östlichen, oft wolkenverhangenen Hochland der Insel und berührt zwei der schönsten Fajas der Azoren.
Wenn es am Startpunkt der Wanderung noch stark bewölkt bis neblig sein sollte, besteht zumindest bei Südwind, wenn sich die Wolken eher am Südkamm der Insel stauen eine gute Chance, dass es im Verlauf der Strecke relativ schnell aufreißt da man nordwärts absteigt.
Am Wegesrand trifft man auch immer wieder auf Kolonien der farbenprächtigen azoreanischen Moose von denen es etwa 400 Arten auf dem Archipel geben soll. Diese Mooskolonie war weich wie ein Bett!
Der Pfad führt durch ein tief eingeschnittenes Hochtal hinab und wird von einem wunderschönen Vegetationsmix gesäumt. Auffällig ist das es in dieser Region noch viele der typischen Baum - und Buscharten der Azoren wie Baumheide, Wacholder, Lorbeerbäume, Stechpalmen, Gagelbäume usw. gibt., und vor allem die alten, knorrig gewachsenen Wacholder fand ich wunderschön. Reizvoll fand ich zudem die bunten Farbtupfer der Hortensien in dieser wildromantisch anmutenden Landschaft und Vegetation. Wie schön muss es hier erst zur Hauptblütezeit von ihnen sein!
Wir sind die Wanderung bisher zweimal gegangen und starteten jeweils bei dichter Bewölkung, hatten aber das Glück, dass sich recht bald erste Sonnenstrahlen in die herum wabernden Wolkenbänke mischten, was umso schönere Stimmungsbilder ergab.
Manche Wegstücke führen als gemütliche Traversen durch die Hänge, zumeist führt der Weg aber in teils steilen Serpentinen hinab. Immer wieder gibt es auch rutschige Passagen und vor allem den bemoosten Steinen sollte man seine Aufmerksamkeit widmen.
Zwischendurch streift man auch mal stärker gerodete Teile des Hochtals wo sich die frei umher laufenden Kühe besonders gern aufhalten.
Die Ausblicke über das Hochtal und die einmündenden Nebenschluchten fanden wir umso länger die Tour dauerte immer beeindruckender. Außerdem wurde es zunehmend sonniger und das Licht in Verbindung mit den noch im Tal hängenden Wolkenresten immer faszinierender.
Diese Tour gilt als die beliebteste Wanderung von Sao Jorge, dementsprechend ist man hier im Gegensatz zu den anderen Wanderwegen die wir auf den Inseln gegangen sind nicht fast allein unterwegs, sondern trifft zwischendurch immer mal wieder auf andere Wanderer. Überlaufen ist die Tour aber keinesfalls.
Wir fanden diese Wanderung schon bei unserem ersten Inselbesuch großartig und waren uns nicht ganz sicher, ob man dieses eindrückliche Erlebnis so einfach wiederholen könnte, wurden aber eines besseren belehrt. Dieses mal fanden wir die Tour fast noch grandioser und sollten zum Abschluss der Wanderung gar noch mit ganz neuen Eindrücken verwöhnt werden.
Langsam nähert sich der der Camino immer weiter absteigend in Schleifen dem Meer. Insgesamt sind etwa 700 m im Abstieg zu bewältigen bis man das Meer erreicht.
Diese tief eingeschnittene Tallandschaft stellt eine Besonderheit auf Sao Jorge da, da ansonsten auf der Insel größere Täler und Schluchten fast gänzlich fehlen. Die Insel gleicht vom Aufbau etwas El Hierro, dass sich auch steil aus dem Ozean erhebt und von einem recht flach verlaufenden Hochland gekrönt und kaum von Barrancos zerschnitten wird. Von den vier Azoreninseln die wir bisher besucht haben ist eigentlich auch nur Flores von tieferen Tälern und Schluchten durchzogen.
Zwischendurch quert der Pfad auch immer mal wieder kleine, schattige Wäldchen. Auffällig ist auf Sao Jorge, dass es im Vergleich zu Flores noch deutlich weniger richtig große Ingwerkolonien gibt. Man sieht zwar auch hier immer wieder die aus dem Himalaya eingeschleppten Ingwerlilien, aber halt nicht in solch Massen. Diese Pflanze scheint sich auf feuchtwarmen Inselarchipelen ausgesprochen wohl zu fühlen und ist auch schon auf Hawaii und La Reunion zu einer Bedrohung der endemischen Vegetation geworden.
Dann wendet sich der Camino endgültig dem Meer zu und die Ausblicke auf den Atlantik werden immer schöner. Weit unten erblickt man den schmalen Talschluss und ein erstes bewohntes Gebäude, das zur Faja da Caldeira de Cima gehört. Dieser Mini-Weiler besteht aus ein paar verstreut liegenden Fincas auf denen noch Landwirtschaft betrieben wird.
Der Wanderweg hält nun direkt auf den Talschluss zu und bei manch Blick zurück auf die Berghänge fühlte man sich an die Almen der Alpen erinnert. Es war immer wieder erstaunlich zu sehen, wie geschickt sich die schweren Kühe im steilen Terrain zu bewegen wissen.
Kurz bevor man das Meer erreicht taucht der Camino erst einmal wieder in einen der für die Azoren so typischen dichten Wald der Steilflanken der Inseln ein. Diese extrem unwegsamen, schwer zugänglichen Bereiche bieten beste Rückzugsorte für die endemische Waldvegetation der Azoren.
In herrlicher Wegführung führt der Wanderweg nun hohlwegartig immer tiefer in diesen Küstenwald hinab und kleine Schönheiten lassen sich am Wegesrand bestaunen.
Teilweise ist der Camino von Lesesteinmauern eingefasst, die wohl gegen die auf den Azoren so häufigen größeren oder kleineren Erdrutsche schützen sollen.
Ob im dunkelsten Wald oder den hellsten Höhen - überall trifft man auf den Azoren auf Ingwerlilien.
Nach einer Weile mischt sich ein immer lauter werdendes gurgelndes Geräusch in die Stille des Waldes....
...und kurz darauf erblickt man am Wegesrand den Wasserfall eines aus den Bergen kommenden Wildwasserbaches. Der Wasserfall stürzt hier in ein großes natürliches Wasserbecken. Ein kurzer Seitenpfad führt hinab zu einer großen, herrlich gelegenen Gumpe wo man unter dem Wasserfall baden kann. Ein Vergnügen auf das wir angesichts einer Temperatur von knapp über 20 Grad und des sehr kalten Bergbaches an diesem Tag doch lieber verzichtet haben. Ein paar junge Portugiesen waren allerdings nicht solche Warmduscher wie wir und genossen unüberhörbar das erfrischende Bad.
Ein kurzes Stück begleitet der Wildbach noch den Wanderweg, dann mischt sich langsam ein entfernt verwandt klingendes, aber viel mächtigeres Greräusch in das Gurgeln des Baches - die Brandung des Atlantiks wird unüberhörbar.
Anfangs sieht man das Meer noch nicht vom Camino aus, aber ganz plötzlich lichtet sich der Wald am Wegesrand und man blickt zum ersten mal auf das nächste Etappenziel, die Faja da Caldeira de Santo Cristo.
Der Blick über die tief bewaldeten Steilhänge und hinüber zur Faja da Caldeira do Santo Cristo mit ihrer Lagune ist von diesem kleinen Miradouro wahrhaft grandios. Dazu dann noch das Blau des Meeres und die heranrollenden Wogen des Atlantiks - einfach traumhaft!
Von hier oben ließ sich auch gut erahnen warum diese Faja unter den Surfern Europas mittlerweile als Geheimtipp gehandelt wird. Wobei sich laut Info unserer Gastgeber die wirklichen "world class waves" (Zitat Reiseführer) Anfang September erst am Aufbauen sind. Im Herbst soll die Brandung dann nur noch etwas für echte Cracks sein.
Die natürliche, aber von einem künstlich verstärkten Damm gegen die Winterstürme geschützte Lagune der Faja ist Heimat der endemischen Kreuzmuster-Teppichmuschel, die es wirklich nur in der Lagune dieser Faja und sonst nirgendwo auf den Azoren gibt. Dieses sehr begrenzte Vorkommen ist auch der Grund dafür warum kaum ein Azoren Besucher in den Genuss dieser Delikatesse kommen wird.
Nach dem tollen Aussichtspunkt führt der Camino noch ein kurzes Stück durch einen von sehr schönem Licht durchfluteten Wald.
Der Weg führt nun als sehr reizvoller Hohlweg parallel zum Meer hinab - Dieses Wegstück ist wirklich zauberhaft, und hat uns sehr gefallen.
Dann öffnet sich der Hohlweg, die Meeresblicke nehmen zu, und der Atlantik mit seiner imposanten Brandung rückt rasch näher.
Der Blick zurück gibt nun erste beeindruckende Ausblicke auf die gewaltige, teils extrem steil ansteigende Nordküste Sao Jorges frei. Was hier wie eine Fahrpiste für Autos ausschaut, ist ein alter Eselspfad und der heutige Küstenwanderweg, der hier von Quads breit gefahren wurde. Quads haben sich als das ideale Transportmittel erwiesen um die Fajas, die nicht ans Straßennetz angebunden sind zu versorgen.
Dann erreicht man nach etwa 2:30 h (gemütliches Tempo) reiner Wanderzeit die herrlich gelegene Faja da Caldeira do Santo Cristo.
Der Weg führt nun entlang der locker verstreut liegenden Häuser der Faja durch die von Lesesteinmauern getrennten Felder und Weiden. Manche Weiden werden auch noch zur Viehhaltung benutzt, wir sahen ein paar Kühe und Pferde.
Hangseitig türmt sich hinter den letzten Häusern des Ortes eine gewaltige, tief bewaldete Steilwand auf, die die Faja vom Hochland trennt.
Auf der anderen, nicht sichtbaren Seite der fast senkrecht abfallenden Steilküste beginnt die nordöstliche Küstenlinie von Sao Jorge wo sich auch Faja an Faja reiht. Diese Fajas sollen aber nach dem schweren Erdbeben von 1980 fast gänzlich von ihren Bewohnern geräumt worden sein, zu gefährlich erschienen sie fortan zum siedeln angesichts von drohenden Felsstürzen oder großen Hangrutschen.
Interessant ist auch der sehr enge Durchlass in der Steilküste, dies ist die gesamte Mündung des großen Hochtals was wir gerade durchwandert haben. Vielleich trägt ja die Faja da Caldeira de Santo Cristo daher das Caldeira im Namen. Von oben gesehen müsste das Tal eigentlich eine Kesselform haben.
Der Weg schlängelt sich nun gemütlich durch die Faja und wird zwischendurch zu einer wahren Aloe Vera Allee.
Mitte des letzten Jahrhunderts soll das Dorf sogar noch 200 Einwohner gezählt haben, aber diese Zeiten sind lange vorbei. Laut Reiseführer sollen hier bis vor ein paar Jahren nur noch sieben Menschen fest gewohnt haben. Aber die Talsohle scheint durchschritten, wir sahen neben den teils schon lang verlassenen Häusern auch einige gerade frisch renovierte und der Ort wirkte nicht gerade wie ein Sieben Einwohner Dorf. Seit die Faja zum Geheimtipp junger, alternativer Festlands-Portugiesen und Surfer geworden ist, scheint es wieder ein wenig aufwärts zu gehen. Zumindest im Sommer und Herbst scheint hier wieder etwas los zu sein. Und die ständigen Bewohner des Ortes und die Besitzer der Häuser scheinen sich darauf einzustellen und versuchen die nötige Infrastruktur zu stellen.
Viele ehemalige Bewohner des Ortes kommen außerdem regelmäßig in der zweiten Septemberwoche in den Ort zurück wenn das örtliche Kirchweihfest begangen wird. Laut Aussage unserer Vermieter soll die Prozession sehr eindrücklich sein. Und auf der Fiesta soll so richtig die Post abgehen...
Der Ort hat mit seiner Mischung aus alt und verfallen oder restauriert, und seiner üppig wuchernden Vegetation eine sehr schöne Ausstrahlung.
Vor allem Aloe Vera scheint sich hier richtig wohlzufühlen, solch große Kolonien haben wir noch nirgends gesehen.
Dann lassen wir die Faja da Caldeira de Santo Cristo hinter uns und der letzte Abschnitt der Wanderung beginnt.
Nun beginnt das eher unspektakuläre, aber trotzdem schöne Schlussstück der Wanderung - wobei der Zielort dann wieder kaum würdiger sein könnte für diese großartige Wanderung. Der Wanderweg führt Anfangs leicht ansteigend recht gemütlich mehr oder weniger parallel am Meer entlang.
Doch schon kurz darauf zieht er steiler in die Berge hinauf und führt danach in leichtem Auf - und Ab durch den Küstenwald. Diese Anstiege summieren sich bis zum Ziel zwar nur auf gut 200 Meter, aber gerade wenn die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist wie z.B. bei unser ersten Begehung, kann das eine überraschend anstrengende Angelegenheit sein.
Nach einer Weile Anstiegs und einem darauf folgenden Traversenstück führt der Weg dann wieder hinab und man erreicht die nächste abgeschieden gelegene Faja.
Auch in der Faja do Belo sollen früher einmal bis zu 100 Menschen gelebt haben, eine Anzahl die man sich heutzutage kaum mehr vorstellen kann. Aber auch hier sah man ein paar schick restaurierte Häuser, und an anderen wurde gerade gearbeitet. Sao Jorge soll 1864 noch etwa 18.000 Einwohner gehabt haben; heute sind es dagegen nur noch knapp 9.000.
Kurz wird einem ein erster Blick auf das Ziel - die Faja dos Cubres - geboten, bevor es weiter im Auf und Ab durch den Wald geht.
Manchmal gibt der Weg auch Ausblicke auf die steilen, tief bewaldeten Berghänge an denen sich oft die Wolken stauen frei um kurz darauf wieder Tiefblicke auf das Meer zu präsentieren.
Nun nähert man sich dem Ziel der Wanderung und der großartige Ausblick auf die Faja dos Cubres lässt die Vorfreude auf diesen wundervollen Platz am Meer steigen.
Dann erreicht man das Ziel der Wanderung, die Faja dos Cubres. Die herrlich gelegene Landzunge soll laut Reiseführer obwohl sie über eine Straßenanbindung verfügt nur noch von vier Menschen dauerhaft bewohnt sein. Wer auf Sao Jorge weilt, und es nicht im Rahmen dieser Wanderung an diesen Ort schafft, sollte unbedingt die schmale, abenteuerlich enge Straße hinabfahren - hier gilt allerdings vor Kurven die Maxime, lieber dreimal zu viel hupen, als einmal zu wenig! Die Azoreaner fahren einen viel sportlicheren Reifen als die Canarios, und selbst auf solchen Straßen!
Die Faja ist trotz der wenigen Bewohner noch eher landwirtschaftlich geprägt und schon nach einem kurzen Stück des Wanderwegs der entlang der Weiden führt, wird einem bewusst, dass dies wieder einer der Azoren-Orte ist, wo mehr Kühe als Menschen leben.
Wir haben die Faja dos Cubres bei unseren beiden Besuchen bei komplett unterschiedlichem Wetter erlebt. Zum Abschluss unserer ersten Wanderung vor zwei Jahren wurden wir hier von strahlendem Sonnenschein empfangen. Dieses mal erlebten wir das genaue Gegenteil, denn es war während unseres Weges entlang der Küste weitgehend zugezogen und eine tief hängende Wolkenschicht staute sich am Nordkamm der Insel, so dass die Sonne nur noch mal zwischendurch, und für kurze Zeit herauskommen sollte.
Nach kurzer Wanderdauer zweigt rechts ein ausgeschilderter Camino ab, der zur kleinen Lagune der Faja führt. Man betritt nun eine reizvolle Minilandschaft, die sich völlig von allem was wir bisher auf den Azoren gesehen unterscheidet. Nur ein paar Meter weiter wachsen subtropische Früchte und die Steilwände sind von dichten subtropischen Lorbeerwäldern überzogen; die Lagune empfängt einen hingegen mit einer blühenden Marsch und Salzwiesenlandschaft.
Obwohl die Wolken sehr tief am Inselkamm festhingen empfanden wir die Stimmung in der Faja von Minute zu Minute reizvoller.
Von der Vegetation her könnte sich diese Lagune genauso im norddeutschen Wattenmeer, an der schottischen Küste oder an der amerikanischen Westküste befinden. Und gerade bei diesem dunkleren Himmel kamen uns beim Anblick der Landschaft zudem Kamtschatka, Norwegen, Kanada und Island Assoziationen in den Sinn. Die kleine steinerne Schutzhütte, die wohl Anglern als Notunterstand im wechselhaften Azorenwetter dienen soll, ließ mich hingegen irgendwie an Nepal denken.
Auf schmalen betonierten Zugangswegen, die zu kleinen von Binsen gesäumten Inselchen führen, bewegt man sich durch die Lagune.
Mit zunehmender Verweildauer wurden die Spiegelungen der Berghänge im Wasser immer faszinierender.
Zum Atlantik hin ist der natürliche Damm, der die Lagune vor den winterlichen Sturmfluten schützt künstlich verstärkt worden.
Die meisten der Häuser werden wohl nur noch an den Wochenenden oder im Sommer bewohnt. Es gibt aber sogar eine kleine Bar im Ort in der wir vor zwei Jahren sehr leckeren Kuchen gegessen haben. Und der Kaffee ist eh nahezu überall erstklassig auf den Azoren.
Von der kleinen Lavastein-Schutzhütte genießt man einen besonders schönen Rundblick auf die Lagune und die großartige Küstenlandschaft.
Am Ende unseres Aufenthaltes wurden die Lichtstimmungen dann immer intensiver und man hatte das Gefühl, dass Himmel, Wasser und Erde in der Wahrnehmung verschmolzen.
Nach einer Weile mussten wir uns von diesem faszinierenden Ort losreißen da wir ja noch ein Taxi bekommen mussten um zu unserem Wagen im Hochland zurückzukommen. Aber dieses landschaftliche Kleinod gehört seitdem zu unseren Lieblingsorten am Meer.
Auf dem Rückweg sollte man aber unbedingt noch einen kleinen Zwischenstopp an diesem Aussichtspunkt einlegen wo sich ein herrlicher Panoramablick entlang der Nordküste und der beiden erwanderten Fajas bietet.
