Re: TAJOGAITE - Inselverkehr, postvulkanisch
Verfasst: Fr 12. Nov 2021, 20:57
Lieber Carlos, die Realität ist keine andere. Die Realität ist immer nur das, was man reininterpretieren bzw. "herauslesen" möchte oder kann.Leider ist die Realität eine andere wie hier recht gut zu lesen ist.
Ich werde auch möglichst genau erklären warum. Vorab: Die Aussagen von Hr. Calvo, ohne ihn diskreditieren zu wollen, haben erstaunlich (sogar erschreckend) wenig Substanz. Ich denke er hat sein Statement dahingehend formuliert, dass er die verständlich großen Erwartungen und Hoffnungen der Bevölkerung auf ein normales Maß reduzieren wollte.
Zu den Fakten:
1.) Der Kilauea auf Hawaii ist ein ewiger Dauerbrenner und spuckt nahezu durchgehend seit 1983 gigantische Lavamengen, zuletzt 2020. Kein noch so großer Depp, würde sich angesichts dessen durch oder über die Lava kämpfen, um eine Straße zu bauen, bei der man sehr realistisch davon ausgehen muss, dass nach Monaten oder wenigen Jahren alles wieder verschüttet ist.
2.) Das Gebiet war und ist nahezu völlig unbesiedelt. Der Bedarf bzw. Bevölkerungsdruck eine aufwendige Straße bauen zu müssen, ist hier äußerst gering, sogar gleich null, wenn man vom Vulkantourismus absieht.
[Pkt 1.) + 2.) sind in 3 Minuten nachgegoogelt.]
3.) "Keine der verschütteten Straßen wurde bisher wieder geöffnet"
Das will ja auch keiner. Die Aussage ist zwar nicht falsch, aber höchst tendenziell und für mich daher regelrecht ärgerlich. Gebaut werden muss erstmal nur eine einzige Trasse und zwar ohne sich durch 30 Meter Lava zu baggern. Von der Wiederherstellung der alten Straßenverläufe träumt hoffentlich keiner, das wäre ja irre. Die Aussage von Hr. Calvo: "...sind diese Straßen immer noch nicht geöffnet worden...." ist entsprechend Makulatur, weil gar nicht erstrebenswert. Es sollte klar sein, dass wir zunächst nur von einer einzige Piste, wahrscheinlich aus verfestigtem Schotter reden. Diese wird oben auf der wenig bearbeiteten Oberfläche aufgeschüttet, mehr ist nicht drin. Das man vor kurzem unter Lava verschüttete Straßen über Jahre hinweg nicht wiedereröffnen kann, ist völlig unbestritten und daher eine äußerst banale Aussage.
4.) "Es dauert Jahre bis man die Lava bearbeiten kann" (Hinsichtlich Straßenbau)
Siehe Punkt 3.) Die Lava kann und soll ja auch nicht nennenswert bearbeitet werden. Wir wollen einfach nur oben drüber fahren und das geht definitiv, sobald sich eine tragfähige Oberschicht gebildet hat. Aufwendig wird sein, die Piste zu überwachen, weil es, besonders bei und nach Regen zu Ausgasungen kommen kann, die dann gesundheitsgefährdend sein könnten. Es käme also u.U sogar relativ häufig zu Sperrungen der Piste, aber das ist in Kauf zu nehmen.
5.) "Es gibt Abschnitte, in denen es unmöglich wäre, zu arbeiten, und die Technologie für eine solche Menge an Materialien ist sicherlich komplex und fast nicht vorhanden" (gemeint ist Hawaii).
Wenn es solche Abschnitte gibt, dann gibt es zwangsläufig auch Abschnitte wo es geht. Ansonsten hätte ein Wissenschaftler vom Kaliber des Hr. Calvo nämlich klar gesagt: "Es gibt keine Abschnitte in denen es möglich wäre".
[Kurze Anm.: Merkt der eine oder andere nun, wo der Hase langläuft?]
"Die Technologie ist komplex", ja das wird sie wohl sein. Und sie ist "fast nicht vorhanden". Was soll das heißen? Gibt es nun die Technologie und ist welche vorhanden oder ist sie fast aber dann auch wieder nicht wirklich vorhanden?
Ich denke, Hr. Calvo will uns damit sagen: Es wird sehr teuer und sehr schwierig, aber es ist nicht unmöglich. Bravo!
6.)"An vielen Stellen, an denen früher Straßen verliefen, haben sich die Lavaströme nicht 15, sondern mehr als 30 oder sogar 40 Meter hoch aufgetürmt."
Da sind wir wieder bei Punkt 3.) und 4.). Irrelevant - die früheren Straßen sind weg. Weg ist weg. Wie hoch sich die Lava türmt, hat großen Einfluss auf die Abkühlungszeit im Inneren. Wenn aber die Oberfläche ausreichend erstarrt und stabil ist, kann man sie obenauf befahren. Daran glaubt auch der bekannte Wissenschaftler Dr. Küppers, Vulkanologe LMU München.
7.) "Der Lavastrom, der zum Meer hinunterfließt, hat in den flachen Gebieten im unteren Teil des Aridane-Tals eine größere Materialanhäufung, wobei Straßen entlang einer 3,1 km langen Strecke vollständig verschüttet wurden." "Im oberen Teil ist der Vulkankegel bereits so weit angewachsen, dass er die ehemalige Straße von San Nicolás erreicht hat. Diese Straße wäre bereits unter dem Kegel"
Immer wieder bezieht sich Calvo auf die ehemaligen Straßen. Kein Wort von alternativen Querungsmöglichkeiten. Es ist schlichtweg egal, wieviel Km Straße verloren gegangen sind.
Bei genauer Analyse des Berichtes wird sehr offensichtlich, dass Hr. Calvo wissentlich und recht geschickt die eigentliche Kernfrage umschifft, ohne Falschaussagen zu treffen oder gar das Volk zu belügen. Mal ehrlich, ich kenne mich ein wenig mit PR aus. Der Trick ist noch älter als die Bibel.
Das Expertenteam wird sich daran machen, die geeignetste Querungsstelle zu finden und dann wird vielleicht sogar Herr Calvo persönlich das Kaninchen aus dem Hut zaubern und stolz verkünden, dass eine gangbare Zwischenlösung gefunden wurde. La Palma kann aufatmen, eines der Hauptprobleme wird jetzt tatkräftig und in höchstem Tempo angegangen.
In meinen Ohren klingeln solche Loblieder jetzt schon...
Die Aussagen von Hr. Calvo sind ein Paradebeispiel für eine taktische Herangehensweise. Man umschifft das Kernproblem und beschreibt, was drum herum schon mal gar nicht geht und ausgeschlossen werden kann. Den Knalleffekt hebt man sich dann für den Moment auf, ab dem man die alles entscheidende heilsbringende Botschaft verkünden kann.
Mich regt ein bisschen auf, dass Hr. Calvo vorgibt, die umherwabernden Gerüchte und Vergleiche mit Hawaii zerstreuen zu wollen, um dann keine zwei Sätze später über eben genau diese Verhältnisse auf Hawaii zu referieren und mehrfach zu versuchen, einen Zusammenhang mit La Palma herzustellen, den es eigentlich nur rudimentär, also im Bereich vulkanologischem Grundwissens geben kann. Für solche Vergleiche sind die Verhältnisse Kilauea - La Palma viel zu unterschiedlich, dessen sollte sich Hr. Calvo eigentlich bewusst sein.
Ich will dem guten Mann nichts, es ist nur leider Standard, dass die besten Wissenschaftler (das ist er wohl zweifellos) die schlechtesten PR-Leute ever sind. Man sollte diesen renommierten Mann seine Arbeit machen lassen und nicht in überwiegend rhetorischer Absicht und mit unpassenden Vergleichen zur Beeinflussung dessen auf das Volk loslassen. Sowas geht fast immer in die Hose. Man denke nur an Corona und die Vielzahl an PR-Katastrophen, wenn sich gestandene Wissenschaftler vor den Karren haben spannen lassen. Der Effekt kann durchaus groß sein, doch nicht wenige "Kapazitäten" berichten später, dass sie das so niemals wieder machen würden.
Nun, was jetzt? Locker bleiben und abwarten. Noch ist Holland nicht verloren. Im Gegenteil sogar, ich werte diesen eher substanzlosen Bericht, wie schon erwähnt, als Vorbereitung auf das, was dann auf einmal durch Zauberhand doch realisiert werden kann.
Meine Meinung. Wenn ich komplett daneben gelegen habe, Asche über mein Haupt. Ich werde dann bei unserem übernächsten Aufenthalt im Valle hier posten, in welcher Bar ich sitze und mit allen die mögen und vorbeikommen auf meine Rechnung Dorada bis zum Abwinken reinschmeißen. (So sicher bin ich mir halt). Warum erst beim übernächsten Mal? Wir kommen im Frühjahr 22, dann steht die Piste noch nicht. Beim übernächsten Mal bin ich sehr zuversichtlich, selber drüber zu fahren.
Zwei Sachen noch...
1.) Nachtijall, ick hör Dir trappsen:
"Es ist sogar von einem ehrgeizigen Plan die Rede, der in Kürze bekannt gegeben werden soll...."
, steht ganz weit unten in dem ominösen Artikel. Na, wenn das nicht bedeutet, dass das Kaninchen schon im Zylinder steckt, dann weiß ich es nicht. Jetzt sollte der Groschen aber endgültig gefallen sein, oder?

2.) Hier, siehe das Bild oben, direkt nebenan vom Kilauea, der Pu'U' O'O', auch ein Dauerbrenner von 1983 bis 2018. Schon länger kann man da bequem auf seiner Lavadecke herumfahren. Welch doch eigentlich unmögliches Wunder, aber Hr. Calvo sprach ja nur vom Kilauea und nicht vom direkten Nachbarn (immer genau hinhören und lesen
