LaGraja hat geschrieben: ↑Di 19. Nov 2019, 00:37
Wenn man sich die Diskussion hier anschaut, kann man nur den Kopf schütteln über die Untätigkeit der EU bzw. der Bundesregierung angesichts des Skandals, dass bei Buchungen von Flugreisen, auch in ferner Zukunft, sofort der volle Flugpreis fällig ist und nicht nur, wie bei Pauschalreisen, zunächst nur eine Anzahlung von 10 - 20 %. Das Insolvenzrisiko wird damit einseitig dem Kunden aufs Auge gedrückt. Ich kenne Leute, die sowohl bei Airberlin als auch bei Germania in die Sch..... gegriffen haben. Und wenn man dann auch noch die lächerlichen Deckungssummen (110 Mio €) der obligatorischen Ausfallversicherung ("Sicherungsschein") bei Pauschalreisen anschaut, die bei Weitem nicht ausreichen, dann weiß man, dass etwas gewaltig faul ist.
Tja, der Bundesgerichtshof entschied aber mit drei Urteilen vom 16.02.2016 (Az. X ZR 97/14, X ZR 98/14 und X ZR 5/15), dass genau diese Praxis rechtmäßig ist. Die Vorauskasse-Klauseln in den AGBs der Fluggesellschaften wurden damit bestätigt.
Die Verpflichtung des Fluggasts, das Beförderungsentgelt bei Vertragsschluss zu entrichten, widerspreche nicht wesentlichen Grundgedanken des Personen-Luftbeförderungsrechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Vorauszahlungsklauseln seien beim Personenbeförderungsvertrag nicht unvereinbar mit dem gesetzlichen Gerechtigkeitsmodell, denn bei der Personenbeförderung habe der Unternehmer kein Sicherungsrecht für seinen Vergütungsanspruch. Der Unternehmer sei einerseits ungesichert der Gefahr von Zahlungsausfällen in erheblicher Größenordnung ausgesetzt, aber andererseits kraft Gesetzes zur Beförderung verpflichtet. Eine Vertragsgestaltung, bei der das Beförderungsentgelt erst bei Ankunft am Zielort zur Zahlung fällig würde, sei beim Massengeschäft der Fluggastbeförderung im Linienverkehr weder interessengerecht noch praktikabel.
Die gebotene Interessenabwägung erfordere es auch nicht, eine Vorauszahlung entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Reisevertragsrecht (Urteil vom 09.12.2014, Az. X ZR 85/12) auf eine Anzahlung bei Vertragsschluss in Höhe von regelmäßig maximal 20 % des Flugpreises und eine höchstens 30 Tage vor Flugantritt fällige Restzahlung zu beschränken. Die angegriffene Vorkasse-Abrechnung folge dem von der International Air Transport Association (IATA) empfohlenen Standard. Die mit der Pflicht zur sofortigen Vorauszahlung in voller Höhe einhergehenden Nachteile des Fluggasts fielen nicht derart ins Gewicht, dass eine Umstellung der weltweit üblichen Abrechnungspraxis geboten sei.
Zwar verliere der Fluggast bei einer Vorauszahlung das Recht, die Zahlung gemäß § 320 BGB bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Dieses Leistungsverweigerungsrecht sei jedoch vor Flugantritt regelmäßig ohne Bedeutung, weil der Fluggast keinen Einblick in die Flugvorbereitungen des Luftfahrtunternehmens habe. Zudem bestehe anders als im Reisevertragsrecht bei Luftbeförderungsverträgen im Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004) ein unionsrechtlicher Mechanismus, der präventiv auf die Luftfahrtunternehmen einwirke und diese zur Einhaltung der Flugplanung und Erbringung der vertraglichen Beförderungsleistung anhalte.
Das vom Fluggast zu tragende Risiko der Insolvenz seines Vertragspartners sei durch die unionsrechtlichen wie nationalen Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen deutlich verringert.
Der Liquiditäts- und etwaigen Zinsnachteil des Fluggasts bei einer frühzeitigen Flugbuchung werde wirtschaftlich regelmäßig durch einen Preisvorteil des Kunden gegenüber einer späteren Buchung ausgeglichen.
Der BGH grenzt in seinen drei Urteilen die Vorkasse bei der Flugbuchung ausdrücklich von der Vorkasse bei sonstigen Reisedienstleistungen ab. Anbieter anderer Reiseveranstaltungen können also weiterhin nicht volle Vorkasse verlangen, wenn sie ihre Dienstleistungen erst in der Zukunft erbringen werden. Hier ist weiterhin nur erlaubt, den Reisepreis in Etappen zu verlangen, soll dieser im Voraus bezahlt werden.